Achtsamkeit (oder engl. Mindfulness) ist in aller Munde. Wir lesen in Zeitungen und Büchern ganz viel darüber. Ist es nur eine Modewort? Und dann finden wir im Internet und bei Bildungsanbietern eine Vielzahl von AchtsamkeitstrainerInnen. Sie (wollen) erklären, warum Achtsamkeit so wichtig ist und empfehlen, wie wir Achtsamkeit im beruflichen und privaten Kontext Alltag einbauen können. Wirft man einen kritischen Blick auf die Vielzahl der Angebote, dann stelle ich fest, dass einige Anbieter Achtsamkeitstraining mit Entspannungsverfahren gleichsetzen. Achtsam zu sein ist jedoch weit mehr als „einfach mal nur so etwas entspannt sein“.
Ohne an dieser Stelle eine seitenweise Abhandlung zu schreiben, ist es mir ein persönliches Anliegen das Konzept der Achtsamkeit etwas deutlicher zu beschreiben. Also, was ist „Achtsamkeit“?
Kurz gesagt kann man sagen, dass Achtsamkeit mit der inneren Haltung zu tun hat. Wenn ich achtsam bin, dann bin mit meiner Wahrnehmung im „Hier und Jetzt“. Und diese Haltung ist etwas, was ich nicht nur habe, wenn ich meinen Jogger anziehe und für 20 Minuten auf dem Fußboden liege und entspanne. Wenn ich achtsam bin, dann versuche ich mein Leben und mein Verhalten unter einem anderen Blickwinkel zu sehen. In guten Trainings bzw. auch im therapeutischen Kontext lerne ich zunehmend, wie ich gerade in stressigen Situationen gewissermaßen dissoziiere, also ich werde zu meinem eigenen Beobachter oder meiner eigenen Beobachterin und nutze den Dialog mit mir selbst. Für den einen oder die andere mag das vielleicht etwas spooky klingen oder hat einen esoterischen Touch. Ja, das mag möglicherweise so ankommen. Doch es ist eine gesunde Haltung oder Lebenseinstellung, wenn es uns bewusst gelingt, mit sich selbst in den inneren Dialog zu treten und dies als etwas Selbstverständliches und Hilfreiches zu begreifen. Ich beobachte mich und dies ohne mich gleich zu bewerten oder zu rechtfertigen. Einfach „nur“ mich wertfrei beobachten. Alleine in diese Haltung gehen zu wollen und diese Einstellung bewusst zu üben, ist aus meiner Sicht ein riesiger, erster Schritt.
Die Ursprünge des Achtsamkeits-Konzepts liegen in der buddhistischen Lehre und im Yoga. Darauf gehe ich an dieser Stelle nicht weiter ein.
Was aus meiner Sicht wichtig ist (wenn wir wieder auf die Haltung des/der BeobachterIn eingehen), dass eben diese Beobachterhaltung sich auf unterschiedliche Bereiche bezieht. Nämlich auf die Beobachtung, was gerade in meinem Körper geschieht („mein Herz klopft gerade sehr stark“,…), welche emotionale Qualitäten ich gerade erlebe („weiß ich überhaupt, was ich gerade fühle, sind es mehrere Gefühle, wofür steht mein Gefühl, welches Bedürfnis wird gerade durch das erlebte Gefühl angesprochen, …“) und was macht mein Verstand bzw. meine Denkmaschine („sprudeln gerade viele Gedanken durch meinen Kopf, kann ich sie einordnen, welche Gedanken sind nützlich/dienlich für meine aktuelle Situation und wie nutze ich all dies für einen bewusste Entscheidung,…“).
Wahrscheinlich sagen Sie jetzt erst recht, das ist anstrengend oder esoterisch. Von leicht war auch nie die Rede. Auch beim Lernen des Autofahrens brauchten Sie (wahrscheinlich) mehr als eine Fahrstunde. Doch es lohnt sich. Es gibt genügend wissenschaftliche Studien, die zeigen, dass Achtsamkeit eine gesundheitsförderliche Wirkung hat. Achtsamkeit wird therapeutisch in der Behandlung von unterschiedlichen „Krankheitsbildern“ integriert; aber auch für die Prophylaxe ist Achtsamkeit ein sehr gutes Konzept. Ich weise nur auf Stress, Erschöpfung oder Burnout-Prävention hin. Durch diese oben kurz beschriebene Beobachter-Haltung gelingt es mir zunehmend, auf Abstand zu stressigen Situationen zu gehen.
Fazit ist, dass ich also zunächst einen Schritt zur Seite gehe und nicht – wie vielleicht gewohnt – mit meinem Autopiloten reagiere. Wenn ich mich und die Situation zunächst bewusst beobachte, finde ich vielleicht auch einen anderen Weg, der situationsadäquater ist. So stellt sich mehr Gelassenheit ein. Es passiert aber nicht sofort. Übung macht auch hier den Meister (die Meisterin).
In meiner therapeutischen Arbeit spielt Achtsamkeit eine wichtige Rolle. Ich greife in meiner Arbeit auf ACT zurück. ACT steht für Akzeptanz- und Commitment-Therapie. ACT verbindet verhaltenstherapeutische Ansätze mit dem Konzept der Achtsamkeit ergänzt um werteorientierte Interventionen („was ist mir in meinem Leben wichtig“, „was ist mir wertvoll“). Die achtsame und nicht bewertende Annahme von insbesondere negativen Gedanken führt zu einem Abstand bzw. zu einer stabilisierenden, neutralen Distanzierung. Auf dieser Grundlage haben Klienten mehr die Möglichkeit, zielgerichtet und bewusst zu handeln.
Mit diesem Blog möchte ich Sie einladen, im Kommentarfeld von Ihren Erfahrungen zu berichten. Wie stehen Sie zu dem Ansatz der Achtsamkeit? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Ich freue mich, wenn ich und andere LeserInnen dieses Blogs an Ihren Erfahrungen teilhaben dürfen.
In den nächsten Wochen werde ich weitere Artikel über das Thema Achtsamkeit schreiben. In erster Linie geht es mir darum, wie es uns gelingen kann, diese Haltung oder Einstellung immer mehr in den (beruflichen) Alltag zu integrieren. Dazu werde ich einige Ideen hier im Blog vorstellen und gleichzeitig mit Unterstützung einiger Menschen zeigen, wie sie diese Ansätze in die Praxis übertragen. Deren Erfahrungen und Erlebnisse werde ich hier beschreiben. Natürlich sind Sie immer eingeladen, auch Ihre eigenen Erfahrungen hier zu nennen. Vielen Dank.
Kommentar schreiben